Liebe Adlerfreunde
Wenn ich mich geschickt verhalte, bekomme ich trotz gewaltiger Sicherheitsvorkehrungen doch noch einige Häppchen rund um die Vorträge am WEF mit.
Ich belausche zwei Teilnehmer am Ende einer Veranstaltung. Der eine: weisst du woran man den Wohlstand eines Landes erkennt? Der andere holt aus mit Begriffen wie Bruttosozialprodukt. Darauf der erste lachend, nein an der Anzahl ausländischer Prostituierten.
Aber dann kommen sie auf den Freihandel zu sprechen
Das vom Bundesrat geplante Agrarfreihandelsabkommen mit der EU biete eine einmalige Chance, die Zahl der noch existierenden Bauern in der Schweiz erheblich zu dezimieren. Diese wären den Befürwortern des Freihandels nämlich schon lange ein Dorn im Auge. Schweizerinnen und Schweizer sollten gefälligst bei Banken oder in der Pharmaindustrie arbeiten, wo die Wertschöpfung pro Arbeitnehmer etwa das Zehnfache der Wertschöpfung in der Landwirtschaft beträgt. Und wenn man für die Durchsetzung der Freihandelsidee ein paar „Bauernopfer“ bringen müsse, dann sei das eben der Preis des Fortschritts. Grosse Ideen in der Weltgeschichte haben schon immer den großzügigen Umgang mit Problemen von Minderheiten erfordert.
In kaum einem Industrieland, schaffen es die Bauern ohne staatliche Unterstützung zu überleben. Das gilt auch für den weltweit grössten Exporteur von Agrargütern, die USA, welche die Subventionen in den letzten Jahren nochmals massiv ausgebaut hat. Die Landwirtschaft hat nämlich ein entscheidendes Handicap: Ihr wichtigster Produktionsfaktor, der Boden, lässt sich im Unterschied zum Produktionsfaktor Kapital, der in andern Branchen wesentlich die Produktionsmöglichkeiten bestimmt, nicht beliebig vermehren. Zwar versuchten die Bauern seit Jahrhunderten ihre Böden immer intensiver zu bewirtschaften, um so die Produktivität zu erhöhen, doch damit gerieten sie nur in die sogenannte landwirtschaftliche Tretmühle.
Der Prozess der landwirtschaftlichen Tretmühle spielt sich folgendermassen ab: Der einzelne Bauer hat unter heutigen Bedingungen kaum eine Möglichkeit, seine Produkte zu differenzieren und sich von seinen Konkurrenten abzuheben. Lebensmittelhersteller wie Emmi oder Migros, welche den Bauern ihre Produkte abkaufen, wollen homogene Produkte (z.B. Rohmilch, Weizen), wo es nicht drauf ankommt ob sie vom Bauer A oder vom Bauer B stammen. Also kann sich Bauer A nur vom Bauer B abheben, indem er billiger produziert und seine Arbeitsproduktivität durch Kauf von immer mehr Maschinen, Anpflanzung ertragreicherer Sorten oder die Anwendung besserer Düngemittel erhöht. Dies führt zu einem gewaltigen Verdrängungswettbewerb, bei dem immer weniger Bauern immer mehr Lebensmittel produzieren, aber gleichzeitig die Preise fallen und das gesamte bäuerliche Einkommen zurückgeht.
Warum aber die ganze Zwängerei des Bundesrates in Sachen Agrarfreihandel? Diese liesse sich noch verstehen, wenn die weitgehende Vernichtung der Landwirtschaft an anderer Stelle zu erheblichen Wohlstandsgewinnen führen würde. Aber nach diesen sucht man vergebens. Im Unterschied zu vielen andern Branchen führt mehr Freihandel in der Landwirtschaft nicht zu mehr Wachstum, sondern verursacht stattdessen erheblichen Schaden und dies besonders in Schwellenländern. Denn dort verlagert sich die Produktion auf Export Agrargüter wie Baumwolle, Soja, Kaffee und dergleichen angebaut in Monokulturen von Agrarmultis. Einheimische Produzenten von Nahrungsmitteln, oft Kleinbauern werden verdrängt mit dem Resultat, dass Agrarexportländer auf Nahrungsmittelimporte für die eigene Bevölkerung angewiesen sind. Daher die Forderung nach Nahrungsmittelsouveränität statt Freihandel von Agrargütern bei uns wie auch in anderen Ländern.
Zum Glück haben die PGP Bauern schon vor 30 Jahren ihren eigenen Weg eingeschlagen und sich mit ihren Kunden zu einer eingeschworenen Gemeinschaft verbunden.
Euer Adler